Was bedeutet es, wenn die Hochbegabung erst im Erwachsenenalter erkannt wird?
Es ist keineswegs so, dass hochintelligente Menschen sich auch selbst so sehen. Viele halten sich tatsächlich sogar für dumm oder sind der Ansicht, dass viele der Menschen um sie herum intelligenter sind als sie selber. Das erscheint auf den ersten Blick paradox, aber genauer betrachtet ist es gar nicht so abwegig.
Hochintelligente Menschen sehen und erleben die Welt anders (vgl. dazu die vorangehenden Artikel), wodurch es immer wieder zu „Kollisionen“ mit ihren Mitmenschen in Form von Missverständnissen, Unverständnis, Verwunderung oder auch Ablehnung kommt. Wenn dies immer wieder passiert, fragt man sich natürlich, warum das so ist (erst recht als hochintelligenter Mensch, der sich sowieso ständig selbst Fragen stellt). Und da anscheinend die anderen Menschen weniger Probleme im Alltag haben, muss man selbst wohl irgendwie „mangelhaft“ oder „weniger was auch immer“ sein.
Hochbegabte Menschen, die nichts von ihrer Hochbegabung wissen, kommen in der Regel nicht auf die Idee, dass sie „zuviel“ haben könnten und es deswegen zu den Schwierigkeiten kommt. Tatsächlich ist es in der Regel sogar so, dass sie – konfrontiert mit dem Verdacht sie könnten hochintelligent sein – dies weit von sich weisen: „Es gibt viele hochintelligente Menschen, aber ICH gehöre sicherlich NICHT dazu!“
Die Probleme nehmen sie natürlich trotzdem wahr und entwickeln dann leicht ein negatives Selbstbild. Dies ist der Einstieg in einen Teufelskreis: wenn ich mich selbst für „mangelhaft“ halte, traue ich mir nicht viel zu und vermeide Herausforderungen. Dadurch nehme ich mir selbst die Chance, Herausforderungen zu meistern und dadurch einen Selbstwert zu stärken. Im Gegenteil wird mein Selbstvertrauen immer weniger werden.
Bei hochbegabten Menschen ist dies besonders fatal, da sie von Natur aus einen starken Wunsch nach Weiterentwicklung haben. Aufgrund des negativen Selbstbildes und daraus entstehenden unzureichenden Selbstvertrauens bleiben sie weit unter ihren Möglichkeiten (sogenannte „Underachiever„). Hält dies über einen längeren Zeitraum an und/oder gibt es keine ausgleichenden Lebensbereiche, kann sich leicht eine Depression daraus entwickeln.
Für das Selbstbild ist es daher von elementarer Notwendigkeit, über die eigene Hochbegabung mit allen Vor- und Nachteilen Bescheid zu wissen