Es gibt einige Überschneidungen zwischen den Symptomen von Menschen, die an einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden und den typischen Eigenschaften hochbegabter Menschen. Die Abgrenzung ist nicht immer einfach, insbesondere wenn Hochbegabte psychisch stark belastet sind oder dekompensieren. Oft werden die emotionale Intensität, die erhöhte Sensibilität und die typische Sprunghaftigkeit im Denken und Handeln als Symptome einer Borderline-Störung gewertet. Von den Behandlern sind genaues Hinsehen und detaillierte Exploration gefordert, um Fehldiagnosen zu vermeiden. Diese führen nicht nur zu unnötiger Stigmatisierung, sondern auch zu inadäquater Behandlung und Persistenz der Problematik.
Ähnlichkeiten
Borderline-Symptom | Hochbegabungs-Kontext |
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Starke Affekte, die schnell wechseln können und von äußeren Reizen stark beeinflusst werden | Hochbegabte sind hoch emotional und hoch sensibel |
Gefühl des „Fremd seins“ | Hochbegabte unterscheiden sich in ihrem inneren Erleben von den meisten anderen Menschen und fühlen sich daher „anders“ oder „fremd“ |
Schwierigkeiten in der Emotionsregulation | Hochbegabte müssen lernen, mit ihren intensiven Emotionen umzugehen. Dies gelingt nicht immer. |
Vorübergehende stressabhängige paranoide Vorstellungen | Hochbegabte driften schneller ab in magisches Denken und paranoide Ideen aufgrund der hohen Assoziationsfähigkeit und des beschleunigten Denkens bei großer Fantasie |
dissoziative Symptome | Hochbegabte können aufgrund der konstitutionell stärkeren Reizwahrnehmung schnell in Reizüberflutung und kurzzeitige Dissoziationen kommen |
Spontan wechselndes oder impulsives Verhalten | Hochbegabte sind im Denken und Handeln sehr schnell und haben ein hohes Energielevel. Das kann von außen impulsiv und sprunghaft wirken. |
Unterschiede
Menschen mit Borderline-Störung | Menschen mit Hochbegabung |
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können nur schwer alleine sein | kommen prinzipiell gut alleine klar und tanken dabei Kraft |
instabiles, d.h. schwankendes Selbstbild | vielschichtiges und ggf. negatives aber konstantes Selbstbild |
Chronisches Gefühl der inneren Leere | eher chronische innere Unruhe bei ungünstigen Lebensbedingungen |
Ausgeprägte Unsicherheit bzgl. der persönlichen Ziele und Präferenzen | Ziele und Präferenzen sind klar und stabil, aber oft non-konformistisch. Ausgrenzungserfahrungen können dann zu Unsicherheiten führen. |
Dichotome Denkmuster („Schwarz-weiss-Denken“) | Höchst differenziertes und vielschichtiges Denken |
Risikohafte Entscheidungsfindung | Hohes Bedürfnis nach Input und neuen Erfahrungen, gehen dabei aber selten tatsächliche hohe Risiken ein oder sind sich dieser bewusst |
Tendenz zum monokausalen Attribuieren (monokausale Ursache-Wirkung-Vorstellungen) | Multikausales Attribuieren |
Mentalisierungsstörung1 | Können meist gut mentalisieren |
Impulsivität und emotionale Ausbrüche werden als „ich-dyston2“ erlebt | Spontanität, Vielschichtigkeit und emotionale Intensität werden als „ich-synton3“ erlebt |
Andrea Brackmann, Psychologin und Verhaltenstherapeutin, hat bis 2008 schwerpunktmäßig mit Hochbegabten gearbeitet. In ihrem Buch „Jenseits der Norm“ vermutet sie, dass sich hinter Personen mit der Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung oftmals traumatisierte Hochbegabte verbergen.